|
Ich gehe ja nicht zur Wahl. Meine Stimme benötige ich schließlich zuvörderst, um sie an dieser Stelle zu erheben. Und nicht, daß jemand annimmt, ich gehörte zu den Leuten, die sich prinzipiell nicht entscheiden können. Nein, wenn ich zum Beispiel in ein Eiscafe gehe, kann ich immer ganz schnell einen Becher auswählen, ohne etwa dazu Zuflucht zu nehmen, eh immer denselben zu essen, wie Freundin J. das tut. Freundin K. hingegen braucht immer Ewigkeiten zum aussuchen und ist dann trotzdem unzufrieden mit dem, was kommt. Das endet dann immer damit, das sie von meinem Eisbecher die Hälfte wegfrißt. Nun ja, letzteres geht mit Parteien nicht so gut, aber ansonsten ist die Analogie der deutschen Parteienlandschaft mit einem Eiscafe, das mehr oder minder nur eine Sorte Eis in Bechern mit verschiedenen Namen serviert, frappierend. Klar, als der Laden 1948 aufmachte, war banalstes Vanilleeis schon ein echtes Erlebnis, und es gab damals sogar noch ein paar mehr Sorten. Ziemlich schnell ist das ganze dann aber doch auf einen Becher Vanille, mit Schokostreuseln bestreut und Vanille, mit einer Erdbeere dekoriert, zusammengeschrumpft. Zu beiden konnte die Kundin natürlich noch einen Maiskeks mit Blaubeergelee bekommen. Geradezu revolutionär schlug da seinerzeit die Ankündigung von Pistazieneis ein, aber dieses stellte sich ziemlich schnell als Vanilleeis mit Pistazienstückchen heraus. Schon irgendwie anders, aber doch nichts wirklich neues. Genug gelogen, Ana! Konkret besteht die Funktion unseres politischen Systems doch in der Festzementierung des Status Quo. Als neueres Beispiel sei nur der große Lauschangriff erwähnt. Keine Ideale, keine Innovationen. Ich würde ja sofort jede Partei wählen, die sich zum Beispiel die Abschaffung des Winters auf die Fahnen schreibt. Umwelttechnisch hat diese Jahreszeit nämlich fast nur Nachteile. Unglaubliche Mengen an unwiederbringlichen Rohstoffen werden schlicht verheizt, Nahrungsmittel für die verwöhnte deutsche Zunge müssen von sonstwo herangekarrt werden, diverse Autos werden zu Klump gefahren und ersetzt, einsame Berge werden von bunten Horden überrutscht, Millionen von Rentnern flüchten flugreisend in wärmere Gefilde und dann werden auch noch unschuldige Schafe rasiert. Aber unsere Parteien verschliessen ihre Augen vor diesen Problemen, halten konservativ am Althergebrachten fest und wehren sich gegen die einfache Lösung. Ist es denn wirklich so schlimm, ihren Urlaub fürderhin im Hotel "Dreijahreszeiten" am W.see zu verbringen, Herr K.? Der Ausgewogenheit willen -- und um nicht vom Jahreszeitenschutzverein abgemahnt zu werden -- möchte ich auch noch einen echten Vorteil des Winters erwähnen: wenn es mal geschneit hat und der Schnee so ein paar Tage liegen bleibt, kann leicht gesehen werden, daß ein erklecklicher Anteil der Autos schlicht überflüssig ist. Diese verbringen Wochen unter der weißen Decke, ohne jemals bewegt zu werden, und das, wo doch im Winter die Nachteile der alternativen Fortbewegungsarten, die sonst immer als Vorzug für's Auto angeführt werden, mindestens genausostark gelten: Zufußgehen ist zu anstrengend (gilt im Schnee sicher noch mehr); Fahrradfahren ist anstrengend, zu witterungsempfindlich und auch gefährlich (besonders im Winter); Busse/Bahnen sind überfüllt, schmutzig und unzuverlässig (fragt mal Väterchen Frost). Da ist der Winter mein Kumpel, und wir beide bringen die Autolobbyistinnen ganz schön in Erklärungsnot, wieso sie unbedingt noch mehr Parkplätze brauchen. Und mit diesem versöhnlichen Bild möchte ich diese eiskalte Kolumne ausklingen lassen. Nur noch ein kleiner Tip: Putzt Euch immer schön die Nase und haltet beim Niesen stets die Hand vor den Mund! Eure Umwelt wird es Euch danken. |