Rammis
Rüde
Rubrik

3/1997

Immer wieder werden die Gefahren durch unsere hochtechnisierte Umwelt unterschätzt. Dies liegt zum einen natürlich daran, daß unsere in Jahrmillionen an den Gefahren des Dschungels geschulten Sinne in diesem Fall kläglich versagen, zum anderen allerdings auch daran, daß es häufig nicht mehr gelingt, zwei und zwei zusammenzuzählen. Zum Beispiel im ICE zur Hauptverkehrszeit: Ein Handy klingelt, und alle anwesenden Managertypen fangen an, verzweifelt in ihren Köfferchen und Anzugtaschen zu kramen. Eine unvoreingenommene Beobachterin kann nun daraus unschwer schliessen, daß die Handys ihren stolzen Besitzern ein wenig zu sehr das Gehirn gegrillt haben. Die Gargekochten selbst merken naturgemäß nichts mehr, und beim nächsten Klingeln sind alle wieder lustig am wühlen. Also, Tip für Kurzweil auf der nächsten öden Bahnfahrt: Spielzeughandy mitnehmen und ab und an heimlich auf den Klingelknopf drücken.

Das der MIV (Ökosprech für Motorisierter IndividualVerkehr) neben dem ihm eigenen Mief auch unterschwellige morbide Emanationen erzeugt, ist mir erst kürzlich wieder deutlich geworden. Da radelte ich nämlich mit meinem Nachwuchs an einer befahrenen Straße entlang, und wir beide kämpften vehement um das Vorrecht, auf der gefährlichen Fahrbahnseite fahren zu dürfen. Mein Standpunkt war, daß es besser sei, wenn ich plattgefahren würde, weil mir weniger von meiner potentiellen Lebenszeit entginge, während mein Filius klug argumentierte, es benötige doch erheblich weniger Zeit, ihn zu ersetzen. Na, wer hat denn da nun recht? Plötzlich sieht mensch sich als treusorgendes Elternteil mit schwierigsten philosophischen Abgründen konfrontiert, und das alles nur wegen den verdammten Blechsärgen.

Und bei der Gelegenheit fällt mir eine Gesetzesvorlage ein, die ich schon lange mal zur Diskussion stellen wollte: Freie Abgabe von panzerbrechenden Waffen an nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmerinnen. Die Vorteile liegen meines Erachtens klar auf der Hand:

  1. Es wird dem Gleichheitsgedanken des Grundgesetzes entsprochen. Schließlich ist nicht einzusehen, daß die Autofahrenden einen einfach plattwalzen können, ohne daß mensch sich wehren kann.
  2. Es gibt eine nicht zu unterschätzende erzieherische Wirkung. Die Autofahrenden werden sich vorsichtiger verhalten, wenn klar ist, daß die bisher wehrlosen Opfer nunmehr zurückschießen können. Auch wird der Verzicht auf das Statussymbol Auto für Jugendliche einfacher, wenn sich eine solch verlockende Alternative bietet. Hier sei allerdings nochmal betont, daß der Einsatz dieser Autoabwehrwaffen nur in Notwehr zulässig ist und ansonsten streng geahndet wird. Dies steht im Gegensatz zur momentanen Gesetzgebung, die Tötungsdelikte mit Kraftfahrzeugen häufig lächerlich gering bis gar nicht bestraft.
  3. So ganz nebenbei fällt eine gesamtgesellschaftlich sinnvolle Aufgabe für unsere notleidenden Rüstungsunternehmen dabei ab. Zur Zeit müssen sie schlechten Gewissens über dunkle Kanäle Landminen und Giftgasfabriken an die Meistbietenden verschachern, in Zukunft können sie stolz und offen für ihre Produkte Werbung treiben. Z. B.: "Draufhalten, abdrücken & weg ist der Brummi. So einfach geht es nur mit Wummi"
  4. Verblüffenderweise ist es auch ökologisch reizvoll. Schließlich belegen diverse Studien im Auftrag unseres Verteidigungsministeriums, daß gerade Truppenübungsplätze besonders wertvolle Biotope darstellen.
  5. Alles in allem eine überzeugende und ausbaufähige Idee. Als Folgemaßnahme kann z. B. auch über die Verteilung von Boden-Luft-Raketen an lärmgeplagte Flughafenanwohnerinnen nachgedacht werden. Es ist schier verblüffend, daß außer mir niemand solche innovativen Ideen zu haben scheint. Aber gut, von den Politikern dürfen wir in der Hinsicht nichts mehr erwarten: auch sie benutzen schon viel zu lange Handys...